Geschichte von Litauen – Start

Litauen im 13.–18. Jahrhundert
Wirtschaftlich-politische Entwicklung
Die Anfänge der multikulturellen Geschichte
Das kulturelle Leben

Litauen im 19. Jahrhundert
Der Verwaltungsapparat Litauens
Der Verwaltungsapparat von Litauen Teil II.
Der Widerstand
Die Geschichte der Zivilgesellschaft
Die Geschichte der Zivilgesellschaft Teil II.

Die Republik Litauen (1918–1940)
Wirtschaft, Politik und Kultur
Die nationalen Minderheiten in Litauen
Der Untergang der litauischen Republik

Krieg und Nachkriegszeit in Litauen
Wirtschaft und kulturelles Leben
Die Anpassung

Die Wiederherstellung der Republik Litauen

Litauen wurde in den schriftlichen Quellen (Quedlinburger Annalen) das erste Mal im Jahr 1009 erwähnt als ein Gebiet an der Grenze zu den altpreußischen Ländereien, wo böse Heiden den Hl. Bruno ermordet hätten. Doch der litauische „Fürst“ wollte sich nicht taufen lassen, und die Verfechter der Politik des Heiligen Rom – die polnischen und sächsischen Herrscher – waren nicht mächtig genug, um den heidnischen Stamm allein zur Taufe zu bringen. Zur Wende vom 17. zum 18. Jh., als nach wirtschaftlichem Aufstieg und Verbreitung der katholischen Kirche die neue Periode der Expansion der Mitte Europas zur Peripherie begann, war der im Entstehen begriffene litauische Staat stark genug, um sich aktiv am Geschehen in der nachbarschaftlichen Rus zu beteiligen, besonders am Handel auf dem Fluss Daugava (dt. Düna). Schon im Jahre 1200 entdeckten dänische und deutsche Kaufleute gewinnbringende Naturschätze auf dem Territorium des heutigen Estland und Lettland und auch die Möglichkeit, von den Handelsbeziehungen der örtlichen Stämme zu Skandinaviern und Russen zu profitieren. Diese Kaufleute brachten Missionare mit sich, die von Rittermönchen begleitet wurden. Nachdem der Deutsche Orden sich in den dreißiger Jahren des 13. Jh. erfolgreich an der Ostsee etabliert hatte, entstand eine weitere Verbindung zur mitteleuropäischen katholischen Welt. Nach dem Sieg gegen die altpreußischen und livländischen Stämme begann der Deutsche Orden ca. ab 1283 einen Krieg gegen Litauen, der fast 140 Jahre andauerte.
Im Jahr 1253 krönte der Papstlegat den litauischen Großfürst Mindaugas (1238–1263), der sich zuvor taufen ließ, zum König. So hat Mindaugas die erste zentrale Dynastie Litauens begründet. Unter seiner Führung eroberten die litauischen Fürsten erfolgreich den südlichen und westlichen Teil der Rus, auf der Suche nach neuen Ländereien als Ersatz für ihre eigenen, die dem Großfürsten abgetreten waren und sich in Litauen befanden. Mindaugas baute angeblich die Kathedrale in Vilnius und lud Kaufleute ein, sich in seinem Staat niederzulassen. In der südwestlichen Rus (Wladimir-Susdaler Rus oder Fürstentum Wladimir-Susdal) stießen die Litauer auf die polnischen, tschechischen und ungarischen Herrscher. Im folgenden Jahrhundert wurde Litauen endlich zum Kriegs-, Heirats-, Handels- und politischen Partner der mitteleuropäischen Königreiche. Bereits im Jahre 1290 hatte die Dynastie der Gediminaičiai oder Jogailaičiai (Gediminiden oder Jagiellonen), die das Großfürstentum Litauen und später auch Polen bis 1572 regierte, ihre Konkurrenten im Kampf um die Krone bereits ausschalten können.
Der litauische Großfürst Vytenis (1295–1315) verstärkte die Politik der Zusammenarbeit mit den Nachbarn von Rus und Livland, die Mindaugas begonnen hatte. Diese Politik wurde zum Symbol von Litauen als einem international handelndem Staat. Unter der Herrschaft seines Bruders Gediminas (1315/16–1341/42) näherte sich Litauen noch mehr der Diplomatie, dem Handel und der Religion Europas an. Die Europäer lernten die Litauer näher kennen, genauer gesagt, das vom Deutschen Orden geprägte Bild. Gediminas strebte an, die Beziehungen mit dem Papst und dem orthodoxen Patriarch zu stärken. Wie auch seine Nachbarn in Polen, im südwestlichen Rus sowie in den Gebieten des Deutschen Ordens lud er Spezialisten und Geistliche nach Litauen ein, indem er am 26. Mai 1323 an die Dominikaner in Sachsen einen Brief verfassen ließ:
Darum bitten wir, dass in den Städten, Palästen und Dörfern, in denen gepredigt wird, dieses den Menschen verkündet werden möge: Wenn sich Ritter und Schildknappen finden würden, würden wir ihnen Einnahmen und Land zum Bearbeiten auf Wunsch zusichern. Den Kaufleuten, Schmieden, Stellmachern, Armbrustschützen, Schustern, allen anderen Handwerksleuten mit ihren Frauen, Kindern und Tieren erlauben wir, frei in unser Land zu kommen und es zu verlassen ohne Steuern oder Zoll und andere Hindernisse.
Das litauische Imperium dominierte vor allem in Schwarzer und Weißer Rus. Die Stadt Grodno (erobert 1250) war ein wichtiger Handelsplatz auf den Wegen von Mazovien und Altpreußen nach Kiew und in die Schwarzmeer-Region. Weitere wichtige Handelsplätze auf dem Daugava-Handelsweg (nach dem Fluss Daugava benannt) waren Polozk, Vitebsk sowie Nowgorodok, die auch Smolensk in die litauische Einflusszone einbezogen. Kiew, das die Mutter aller russischen Städte genannt wird, stand unter litauischem Einfluss (1323–1362) und wurde seit 1362 von den Litauern mehr als 200 Jahre regiert. Im 14. Jh. strebten es die Herrscher Litauens an, sich durch Heirat mit den Nachbarschaftsdynastien zu verbinden, denn dies war ein wichtiger zusätzlicher Faktor neben der gemeinsamen Kriegs- und Handelspolitik. So wurden die Macht in den eroberten Territorien gefestigt und Verbündete gewonnen.
Algirdas Gediminaitis (1345–1377) setzte die Politik seines Vaters Gediminas fort, indem er, wenn auch unverbindlich, erklärte, dass der Deutsche Orden den größeren Teil der Ländereien an der Ostseeküste ihm übergeben und das Großfürstentum als Herrscher über die ganze Rus anerkennen sollte. Nach dem Tod Algirdas wurde das zerbrechliche Bündnis der Gediminiden durch die Kämpfe zwischen dem Nachfolger Algirdas, Jogaila (Jogiello) und dessen Onkel Kęstutis sowie Cousin Vytautas geschwächt. Im Jahre 1385 schickte Jogaila nach beendetem Streit mit Vytautas eine Delegation mit dem Auftrag, um die Hand der Jadwiga (Hedwig) von Anjou, der polnischen Kronfolgerin, anzuhalten. Mit diesem tapferen politischen Zug wollte der Großfürst weitere Ländereien für sich gewinnen, ohne auf den Status des „höchsten“ Herrschers in Litauen zu verzichten, und einen Verbündeten gegen den Deutschen Orden gewinnen. Der Deutsche Orden war wiederum dazu geneigt, Verschwörungen zusammen mit Vytautas gegen Jogaila zu planen. Die Hauptsache, mit welcher Jogaila (König Wladyslaw II von Polen seit 1386) für all das bezahlen musste, war die Taufe Litauens nach Sitte der römisch- katholischen Kirche und die Zusammenführung des Großfürstentums Litauen mit dem Königreich Polen. Nach einigen Machtkämpfen einigten sich Jogaila und Vytautas. Im Zeitraum 1392-1430, auf dem Höhepunkt der Geschichte des Landes, regierte Vytautas Litauen als Großfürst, doch unter der Bedingung, dass nach dem Tod von Vytautas der Thron wieder an Jogaila und seine Nachfolger zurückgeht. Im Jahre 1410 besiegten die vereinten Kräfte des Großfürstentums Litauen und des Königreichs Polen den Deutschen Orden in der Schlacht bei Tannenberg (lit. Žalgiris), was bis heute den Anfang vom Niedergang des Deutschen Ordens symbolisiert. Die politische Union mit Polen kann man am besten als einen taktischen Zug der Dynastie verstehen, bei dem der wichtigste Gediminide versuchte, die Macht seines Verwandten bei der Machtaufteilung nach dem alten Verwandtschaftsgesetz einzugrenzen. Nach dem Tod Jogailas (Jagiello) im Jahr 1434 blieben beide Staaten fest in der Hand seiner Frau und seiner Söhne sowie ihrer Anhänger. Der jüngste Sohn Jogailas Kasimir (lit. Kazimieras), Großfürst (1440–1492) und König von Polen seit 1447, weigerte sich, das Großfürstentum Litauen mit seinen Cousins oder ihren Söhnen zu teilen.
Zu der Zeit, als der Herrscher nicht mehr in Vilnius residierte, erhielt der litauische Adel die Gelegenheit zur Entwicklung des Verständnisses, dass seine Interessen auch Interessen Litauens sind, und dass sie verpflichtet sind, am politischen Geschehen teilzunehmen – ihr Reifungsprozess ist an den Verträgen zur politischen Union mit Polen (1413 und 1569) und an den Adelsprivilegien (1447, 1492) zu erkennen. Dieses politische Bewusstsein, gefestigt durch die Lubliner Union (1569), herrschte in Litauen bis zum Ende des Großfürstentums. Nach dem Verschwinden der Jagiellonen-Dynastie 1572, wurde in Lublin 1569 die Republik zweier (Polen und Litauen) Nationen gegründet, die durch von litauischen und polnischen Adligen gewählte Könige regiert wurde. Diesen Zeitraum bis zum Ende des 18. Jh. kann man als das goldene Zeitalter der Adelsdemokratie bezeichnen.
Nach der Annahme des christlichen Glaubens (1387) fingen die Städte an sich schnell zu entwickeln. Trakai, Kaunas, Polotsk, Slutsk, Pinsk, Brest erhielten die Magdeburger Rechte, die die Vilniuser zu diesem Zeitpunkt bereits genossen. Es wurde meist mit Getreide gehandelt (Darüber gibt es Berichte schon aus dem 13. Jh. – Fakten über Handelswege, die über Riga, Königsberg, Danzig, Poznan, Lublin gingen.), mit Leinen und Forsterzeugnissen (Pelzen, Honig, Holz). Es wurden überwiegend Salz, Eisen, Eisenerzeugnisse importiert. 1400–1532 gab es in Kaunas ein Hanse-Kontor, das am stärksten von den Wachshändlern aus Danzig genutzt wurde.

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