Die Bernsteinkrone der Natter
Der Bernstein wurde auch als Sonnenstein betrachtet. (c) UAB ANTILE |
Mythologisch gesehen entspricht die Natterkrone für Litauen dem, was für Europa der Heilige Gral und der Stein der Weisen sind. An den Küstenstrichen im Baltikum wurden im Neolithikum und in der Bronzezeit Amulette und Talismane aus Bernstein hergestellt. Bernstein war zu dieser Zeit ein Symbol für die Sonne und stellte die Verbindung zur chthonischen Welt und den Seelen der Verstorbenen her. Man glaubte, dass der Bernstein die magische Kraft besitzt, Weisheit zu verleihen und die Kräfte der Ahnen zu versammeln. Aus Bernstein wurden geheimnisvolle Elixiere hergestellt, er wurde dazu verwendet, Visionen heraufzubeschwören und den baltischen Kosmos zu beleben.
Die Natter, das Totem einer Reihe baltischer Stämme, wurde mit einer Bernsteinkrone geschmückt (um einiges später wurde diese durch eine goldene Krone oder einen goldenen Kranz ersetzt, vielleicht in Anspielung auf die Symbolik westlicher Monarchen oder den goldenen Gral). Die Natter (siehe: Egle die Natterkönigin) ist eine Bewohnerin der unterirdischen Welt. In Litauen wurde sie Jahrhunderte lang als Gottheit des heimischen Herdes, des Glücks und der Fruchtbarkeit verehrt. Man glaubte, dass sich die Seelen der Verstorbenen in Nattern niederlassen. Die Bernsteinkrone symbolisiert auch die von Verstorbenen erhaltenen Fähigkeiten und ihren Segen. Nachdem der Wasser- und Erdkult erstarkt war, wurden Nattern mit Erde und Sonne in Verbindung gebracht, sie waren die Träger entsprechender Fähigkeiten und Attribute.
Der Bernstein wurde auch als Sonnenstein betrachtet, der Fähigkeiten dieses magischen Gestirns besitzt. Deswegen ist der königliche Schmuck der Natter, der Vermittlerin göttlicher Botschaften, aus Bernstein. Noch heute glaubt man in Litauen, dass derjenige, der die Natternkrone zu finden vermag, allwissend, allmächtig und von den Göttern, dem Himmel und den Ahnen gesegnet ist. Mythologisch gesehen ist die Natterkrone auf ihre Weise dem Stein der Weisen bei den Alchimisten nahe. Und wenn man sich daran erinnert, dass das Symbol der alchimistischen Transformation und der Seelenwanderung eine sich in den Schwanz beißende Schlange ist, versteht man, woher die Parallelen mit der königlichen Natter kommen.
Bernstein wurde auch in der Alchimie verwendet: um Heilmittel herzustellen und auf der Suche nach dem Elixier des Lebens, dem Stein der Weisen oder Gold. In den Aufzeichnungen der Alchimisten werden oft die Termini Oleum succini (Bernsteinöl), Balsamum succini (Bernsteinbalsam) und Extractum succini (Bernsteinextrakt) verwendet.