Litauen schließt einzige funktionierende Synagoge

Aufgrund von Sicherheitsbedenken wurde von der Jüdischen Gemeinde in Litauen die Synagoge von Vilnius vorübergehend geschlossen. Die Choral-Synagoge ist die einzige funktionierende Synagoge des Landes und daher von großer Wichtigkeit. Continue reading “Litauen schließt einzige funktionierende Synagoge” »

Götteraufteilung

In „Kronika Polska Litewska Zmodzka i Wszystkiej Rusi“ zählt Stryjkowski 1582 sechzehn litauische und samogitische Götter auf. Als höchsten Gott nennt er Prokorimos, was wiederum ein Anrufungsname ist, danach viele weitere Götter mit spezieller Funktion: Ruguczis, der Gott der eingelegten und sauren Speisen, Ziemennik, der Erdgott, dem zu Ehren man Grasschlangen mit Milch füttert, Kruminie Pradziu Varpu, für die Ernte zuständig, Lituwanis, der Regenbringer, Chaurirari, der Pferde- und Kriegsgott, dem man im Sattel huldigt, Sotwaros, der Tierpatron, Seimi Dewos, der die Familie beschützt, Upinis Dewas, der Flussgott, Bubilos, für Honig und Bienen zuständig, Dzidzis Lado, der große Gott (er ist evtl. der Gott, der auch mit dem Anrufungsnamen Prokorimos vertreten und daher doppelt aufgeführt ist), Gulbi Dziewos, der Mittler zur Welt der Satyr und Faune, Swieczpuscynis, der Gott des Federviehs, Kielu Dziewos, der Schutzpatron bei Reisen, Puschaitis, der Erdgott. Stryjkowski beschreibt auch, wie man jedem dieser Götter zu opfern hatte, meist mit Hühnern oder Gänsen vom Hof.

Bemerkenswert ist, dass diese Götter alle zum wirtschaftlichen oder familiären Umfeld eines Bauernhofs gehören und in keiner bestimmten Rangfolge stehen. Perkūnas dagegen ist gar nicht dabei. Jeder Gott hat seine bestimmte Aufgabe, die dem Bauern im Alltag dient, somit handelt es sich um ein Beispiel für eine typische Götterwelt der ländlichen Bevölkerung.

Jan Lasycki kommt in „De diis Samagitarum caeterorumque Sarmatarum et falsorum Christianorum“ von 1614 mit seiner Liste der samogitischen Götter sogar auf 76, die alle bestimmte Funktionen hatten und denen in bestimmter Weise geopfert werden musste. Viele Namen tauchen allerdings nie wieder woanders auf, sodass anzunehmen ist, dass es sich um Götter handelt, die nur regional begrenzt oder gar nur in einem Dorf oder von einer Familie verehrt wurden.

Diese Aufteilung der ursprünglich vier Götter in viele Gottheiten ist für den Niedergang einer Religion typisch. Das Christentum war in den ländlichen Gegenden nur äußerst oberflächlich verankert, es fehlten jedoch die heidnischen Priester, die vorher den ursprünglichen Glauben weitergegeben hatten. So entwickelte sich in jeder Region eine eigenständige Glaubensform, die einige Elemente von früher übernahm, sie aber veränderte, ausschmückte und den örtlichen Bedürfnissen anpasste. Das Wissen darum, welche Anrufungsnamen zu ein und demselben Gott gehörten, ging verloren, sodass sich daraus mehrerer Götter entwickelten, die den Gegebenheiten und Anforderungen des ländlichen Lebens entsprachen.

So tauchen auf Lasyckis Liste Percunas, Modeina, Zemyna und Tavvals auf (möglicherweise ein Überrest von Teliavelis). Als höchster Gott wurde Auxtheias Visagistis genannt, was möglicherweise wieder ein Anrufungsname ist. Es könnte auch sein, dass Aukštasis Visagalis oder Visagalisis der samogitische Name für den christlichen Gott war.

Žemepatis, Aušra und andere von Lasycki genannte Götter findet man auch in späteren Quellen (Zemina, Zemopacios, Ausca). Anderen Namen werden so eng gefasste Funktionen zugeschrieben, dass es sich dabei vielleicht nur um Geisterwesen handelt: Numeias kann man als Schutzpatron des Hauses interpretieren, möglicherweise sahen die Menschen in ihm aber auch nur einen Kobold. Weitere Namen auf der Liste sind Orthus, Pessias, Tiklis, Klamals usw. und es lässt sich oft nicht mehr genau feststellen, welche Aufgabe ihnen zugeschrieben wurde.

Pantheon-Quartett

Dass der Pantheon der litauischen Kriegerreligion aus drei Männern und einer Frau bestand, die allen drei als Gefährtin dient, ist eine Eigenschaft, die sich auch in anderen indo-europäischen Religionen findet – wie in Skandinavien mit Freya, in Indien bei den Asvin-Göttern, bei den Römern und den Germanen.

In der Litauischen und Samogitischen Chronik wird der Niedergang der Kriegerreligion erstmals erwähnt. Nach dem Verlust der Priesterklasse nahm der Glauben eine andere Form an, die alten Traditionen waren verloren, neue „magische“ Phänomene tauchten auf. Die Grundzüge des alten Glaubens lebten noch einige Generationen weiter, wurden jedoch nur mündlich und innerhalb der Familie weitergegeben, nicht mehr offiziell durch Priesterinitiierung. Dadurch verloren die Rituale und Glaubensgewohnheiten mehr und mehr ihre ursprüngliche Form und wurden immer mehr verwässert.

Götternamen

In den alten Quellen kommt es vor, dass ein- und derselbe Gott mit verschiedenen Namen belegt wird. So geht man davon aus, dass die Namen Nunadievis und Andajus denselben Gott, den ersten und höchsten der litauischen Götter, bezeichnen. Derselbe Fall liegt bei Diviriks vor, der wahrscheinlich mit Perkūnas identisch ist. Diviriks ist der ausführende Gott (Dievu rikis), sozusagen der Stellvertreter des höchsten Gottes, der in der litauischen Religion einen deus otiosus (neutralen, gleichgültigen Gott) darstellt.

Diviriks entspricht dem keltischen Gott Teutates, der auch Toutiorix genannt wird, der „Herrscher des Landes, der Bischof“. Auch in der keltischen Religion in schriftlichen Quellen haben Götter oft verschiedene Namen, von denen viele Eigenschaften oder Anrufungsnamen sind. So ist auch die Hauptgöttin des litauischen Götterreigens des 13. Jahrhunderts Medeina wahrscheinlich identisch mit Žvorūna der Hündin. Beiden werden Eigenschaften zugeschrieben, die mit der Jagd zu tun haben, Medeina könnte also eine Jagdgöttin gewesen sein. Žvorūna hatte die Gestalt einer Hündin, zveris bedeutet „Tier“, und man geht davon aus, dass es sich um eine Jagdhündin handelte. Medeina weist auf Bäume hin (medis = Baum), und das litauische Wort medziokle (jagen) zeigt die Verbindung von Jagen und Bäumen (= im Wald).

Es gibt mehrere Erklärungsansätze, warum Götter mit verschiedenen Namen belegt wurden: Der Name könnte je nach den Umständen, unter denen der Gott angerufen wurde, gewechselt haben, oder aber es gab in den verschiedenen Landesteilen regionale Namen für jeden Gott. Die wahrscheinlichste Begründung ist jedoch, dass der „wahre“ Name eines Gottes tabu war und nicht oder nur bei besonderen Anlässen ausgesprochen wurde – das ist auch aus anderen Religionen bekannt. Damit verband sich die Furcht, dass der wahre Name den Gott erscheinen lassen würde, oder auch einfach großer Respekt. Reste davon finden sich in der litauischen Folklore, in der Götter viele Namen haben: Perkūnas heißt auch Dundulis, Bruzgulis, Dievaitis, Grumutis etc, Velnias auch Kipšas, Pinčiukas, Vokietukas etc.

Götterreigen

Der litauische Pantheon (Götterreigen)

Das Manuskript Ipatijs von 1252 beschreibt die Taufe des Königs Mindaugas, beharrt jedoch darauf, dass er nur zum Schein zum Christentum übertrat und weiter den alten Göttern opferte. Als diese werden genannt: Nunadievis, der höchste Gott, sowie Teliavelis, Diviriks, ein Hasengott und Medeina. Eine Schrift von 1258 erwähnt Andajus und Diviriks. 1261 berichtet der Sovijus-Mythos, das Sovijus befahl, Andajus und Perkūnas, dem Donnergott, zu opfern, außerdem Žvorūna, einer Hündin, und Teliavelis, einem Schmied, der die Sonne schmiedete und sie an den Himmel warf, damit sie die Erde beleuchte.

Religionsquellen

Tacitus erwähnt in „Germania“ die Völker des Ostens, die eine Göttermutter anbeteten (dies bezog sich wahrscheinlich auf westliche Balten). Der arabische Reisende Idrisius schreibt über Bewohner der Stadt Madsuna, die dem Feuer huldigten. Die baltischen Staaten werden auch in verschiedenen Papstbullen erwähnt, doch eine umfassendere Quelle sind die Manuskriptfragmente von Ipatijus Voluine, die berichten, wie der zum Christentum bekehrte Mindaugas heimlich seine alten Götter anbetet und diese von der Kriegerklasse verehrten Gottheiten auch beschreiben. Es gibt viele Quellen aus der Zeit kurz vor der Christianisierung und kurz danach, weitere aus der Zeit der Renaissance, wie die „Litauische Chronik“, die von „religiöser Erneuerung“ Litauens im Mittelalter spricht.

Im 16. Jahrhundert zählte Maciej Stryjkowski sechzehn litauische Götter auf, J. Lasycki beschrieb verschiedene samogitische Götter und mythische Figuren niederen Rangs. Diese Autoren gelten zwar als zuverlässig, sprachen jedoch kein Litauisch und beschrieben eine Religion, die durch die Christianisierung im Niedergang begriffen bzw. von einigen nur regional bekannten und verehrten „Gottheiten“ durchdrungen war.

Ende des 16. und im 17. Jahrhunderts zeichneten jesuitische Missionare Reste des heidnischen Glaubens in den ländlichen Gegenden auf. So beschrieb M. Preatorius die Bräuche und Rituale in Kleinlitauen so umfassend, dass ein sehr komplexes Bild dieser Kultur zum Ende des 17. Jahrhunderts entsteht.

Nimmt man all diese Quellen zusammen, kann man die litauische Religionsgeschichte annähernd rekonstruieren, wobei zu beachten ist, dass diese einem ständigen Wandel und regionalen Besonderheiten unterworfen war. Dazu kommen Informationen aus archäologischen und linguistischen Quellen sowie aus Folkore-Sammlungen und der Volkskunde des 19. und 20. Jahrhunderts. So lassen sich vier Hauptperioden der litauischen Religionsgeschichte festlegen:

13.-14. Jahrhundert: In dieser Zeit gibt es eine offizielle Religion, die von Rittern und Kriegern ausgeübt wird und stark von militärischer Mythologie durchdrungen ist. Mittelsmänner sind heidnische Priester.

15.-16. Jahrhundert: Die oberen Gesellschaftsschichten konvertieren zum Christentum, während die Bauern den alten Glauben und die alten Traditionen ohne Hilfe der Priester weitergeben. In abgelegenen, ländlichen Regionen entsteht ein bäuerlicher Pantheon, auch alte heidnische Rituale werden weiter ausgeführt.

16.-18. Jahrhundert: Die Jesuiten missionieren die ländlichen Gegenden, der alte Pantheon schrumpft und einzelne Götter werden in Geister, Dämonen und andere niedrigerer mythologische Gestalten umgewandelt, denen nur noch hin und wieder geopfert wird. Die alten heidnischen Rituale werden nicht mehr in der Öffentlichkeit oder Gemeinschaft ausgeführt, sondern nur noch im Kreis der Familie.

19.-Anfang 20. Jahrhundert: Die alten Rituale werden kaum noch ausgeführt oder dem christlichen Glauben angepasst. Bei Gottesdiensten oder kirchlichen Festen findet man zahlreiche Elemente, die auf den heidnischen Glauben zurückreichen, doch sind sie „christianisiert“. Einerseits kann man dies als Sieg des Christentums über den heidnischen Glauben deuten, doch andererseits haben die alten, unverwüstlichen Traditionen das Christentum eindeutig penetriert. Das Ergebnis ist die Verschmelzung beider Glaubensrichtungen.

Religion & Mythologie

Hintergrund

Die litauische Religion gehört wie die alten Religionen Nord- und Mitteleuropas der Slawen, Teutonen und Kelten zu den indo-europäischen. Während Lettland oder Preußen im Mittelalter noch keinen eigenen Staat und soziale Schichten gebildet hatten, erwähnen Quellen des 13. und 14. Jahrhunderts für Litauen eine Klasse der Krieger und Herrscher, die einer bestimmten heidnischen Religion anhingen. Der heidnische Glaube der einfachen Landbevölkerung wird erst später, in Quellen aus dem 15. und 16. Jahrhundert, erwähnt und spiegelt sich in der Folklore und Volkskunde des 19. und 20. Jahrhunderts wider. Dies liegt zum Teil auch daran, dass die herrschende Schicht früh zum Christentum übertrat, während sich dies unter den Bauern langsamer und später durchsetzte.

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