Bis auf einen begrenzten Zeitraum in der Frühzeit wurden und werden in Litauen die Toten in der Erde bestattet. Nur aus dem 13. bis 11. Jahrhundert vor der Zeitenwende und dem 5. bis 14. Jahrhundert danach sind Feuerbestattungen bekannt; dabei wurden die Urnen mit der Asche der Toten ebenfalls in der Erde vergraben. Die erste schriftliche Quelle über Beerdigungsriten findet sich im 9. Jahrhundert. Der angelsächsische Händler Wulfstan besuchte Litauen auf seinen Reisen und schrieb über die Einwohner der östlichen Ostseeküste, dass sie ihre Toten mehrere Monate gefroren aufbewahrten, bevor sie sie verbrannten, und währenddessen feierten und musizierten.

Aus weiteren historischen Quellen, Beschreibungen litauischer Bräuche und archäologischen Funden lassen sich die Totenriten in folgende Abschnitte aufteilen:

  1. Krankenpflege und Begleitung des Sterbeprozesses
  2. Aufbahrung und Totenwache
  3. Beerdigung
  4. Totenfeiern zur Erinnerung
(c) llkc.lt

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Litauer standen dem Tod immer sehr realistisch gegenüber und sahen ihn als den Übergang zu einem Jenseits an, das sie als einen schönen Garten auf einem hohen Berg, weit über den Wassern, beschrieben. Das Jenseits stellte ein himmlisches Paradies dar, in dem es immer warm war, es keine Winter gab und zu dem deshalb im Herbst auch die Vögel zogen. Der Weg dorthin wurde durch die Milchstraße symbolisiert, die man in klaren Nächten am Himmel sieht. Nach dem vorherrschenden Glauben fanden dort nur gute und ehrliche Menschen Einlass. Schlechte Menschen mussten erst von ihren Sünden gereinigt werden und wurden daher zeitweise in Bäume, Tiere oder Vögel hier auf der Erde verwandelt. Außerdem glaubte man, dass Todeszeitpunkt und -art jedem Menschen vorherbestimmt seien und man ihnen nicht entgehen könne, ganz gleich, wie vorsichtig man sich verhielt.

Nach alten Überlieferungen wurde der Tod durch eine große, knochige, blinde und hohlwangige Frau verkörpert, die eine Sense trug; ihr Name ist giltinë. Sie ist ein Wesen der Nacht und überfällt den Menschen unerwartet. Hunde, Katzen, Pferde und manche Vögel, die sie sehen, verhalten sich seltsam und unnatürlich. Auch andere, außergewöhnliche Vorkommnisse deuten die Nähe des Todes an: Ein Laib Brot fällt im Ofen auseinander, Wände oder Decken bekommen Sprünge, ein Spiegel zerbricht, Imker finden kreuz- oder sargförmige Waben im Bienenstock, Menschen träumen, dass sie einen Zahn verlieren, oder erhalten im Traum Besuch von ihren toten Verwandten.

Nach dem Volksglauben bedeutet sterben, dass die Seele vom Körper getrennt wird. Sie verlässt den Körper dann wie ein Schatten oder Nebel mit zwei Atemzügen, von denen einer tief aus dem Brustkorb kommt und der andere flach ist. Deshalb wurden in der Todesstunde alle Fenster und Türen weit geöffnet, damit die Seele des Toten und die seiner bereits verstorbenen Verwandten, die ihn abholen kommen, das Haus verlassen können. Angehörige und Nachbarn wurden benachrichtigt, damit sie dem Sterbenden einen letzten Besuch abstatten und sich verabschieden, um Verzeihung bitten und Verzeihung erhalten konnten. Man glaubte, dass zu dieser Zeit niemand im Haus schlafen sollte, deshalb wurden alle aufgeweckt, sogar die Kinder und Säuglinge. Der Tod eines Bauern wurde sofort allen Nutz- und Haustieren mitgeteilt, auch die Bienen wurden mit einem Klopfen auf den Stock informiert, damit die Seele ihres Herren sie nicht mitnehmen konnte.

Während des Sterbeprozesses und nach dem Tod wurde im Haus Stille gehalten, um der umherirrenden Seele Respekt zu erweisen, die erst nach der Beerdigung das Haus verließ.

Die Toten wurden immer in ihren besten Kleidungsstücken bestattet oder es wurden besondere Totenhemden angefertigt, die man Beerdigungshochzeitsanzüge nannte. Da man die Toten auf eine Reise zum Leben ins Jenseits schickte, wurden sie festlich ausstaffiert wie zu einer Feier, wie archäologische Funde und schriftliche Quellen verschiedener Zeitalter belegen.

Bis etwa 1960 wurden die Toten nicht sofort eingesargt, sondern auf mit weißem Leinen bedeckten Brettern für drei oder mehr Tage aufgebahrt (siehe: Totenklage), die im besten Teil des Hauses aufgestellt wurden – üblicherweise an der Rückwand, sodass der Tote mit den Füßen zur Tür lag. Familienmitglieder und Angehörige hielten Tag und Nacht Totenwache, während die Nachbarn abends vorbeikamen, um zu singen und zu beten. Über die, die ihre Toten in Eile bestatteten, sagte man, dass „der Tote nicht einmal eine Nacht in seinem Haus bleiben durfte“ oder dass „die Seele kein Festmahl erhalten“ habe.

Bräuche & Traditionen in Litauen
Litauische Hochzeit | Beerdigungsriten | Totenklage | Leichenschmaus & Seelenmahl

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