Im 19. Jahrhundert bestand Litauen aus fünf ethnisch voneinander abgegrenzten Regionen: Aukštaitija, Žemaitija, Dzūkija, Suvalkija und Kleinlitauen (die Region um Klaipėda). Jede Region hatte aufgrund historischer Stammesabgrenzungen ihre eigene Kultur und Tracht. Die bäuerliche Kleidung ähnelte sich zwar in den Grundzügen, doch gab es viele Unterschiede bei Schnitt, Farben, Mustern und Accessoires.

Sommer-Basiskleidungsstücke für Frauen waren im 19. Jahrhundert: Langes Hemd, zwei oder mehr Röcke übereinander, Schürze, Mieder und Schuhe. Dazu Schärpen, verschiedene Tücher, Perlen, Taschentücher und andere Accessoires. Im Winter trug man darüber lange oder kurze tunika-ähnliche Mäntel (sermėga, sermėgėlė), manchmal Pelzmäntel.

Verheiratete Frauen bedeckten ihr Haar immer mit Hauben, Wimpeln oder Tüchern, während unverheiratete Mädchen sich mit Blumen, Kränzen oder Seidenbändern schmückten.

Die Männerkleidung ähnelte einem Reitanzug. In Litauen wurde das Pferd als wichtigster Begleiter eines Mannes angesehen, sodass das Wort „Reiter“ sogar als Synonym für „junger Mann“ steht (bernelis).

Die Männertracht zu besonderen Anlässen bestand aus langen, geraden Hosen mit eingestecktem Hemd und tunika-ähnlichem Überwurf (sermėga), darunter eine Weste. Dazu gemusterte, handgewebte Schärpen oder Ledergürtel und bunte, handgewebte oder gekaufte Tücher aus Leinen, Wolle oder Seide. Stiefel wurden besonders geschätzt. Ein Filzhut mit Pfauen- oder Hahnenfedern oder Blumenschmuck komplettierte die Tracht. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der sermėga nach und nach von Mänteln mit städtischem Schnitt abgelöst.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die traditionellen Trachten insgesamt immer mehr von städtischer Kleidung verdrängt, allerdings waren die regionalen Unterschiede noch eine Weile zu erkennen. Frauenröcke hatten nur noch eine Hauptfarbe, waren unten weiter geschnitten und im Bund weniger gefältelt. Hemden wurden nur noch unter Jacken getragen, die meist einfarbig dunkel waren. Schürzen gab es noch eine Weile länger, bis auch sie weggelassen wurden. Die Unterschiede zwischen den Kopfbedeckungen von Mädchen und verheirateten Frauen verschwanden, alle Frauen begannen, unter dem Kinn geknotete Kopftücher zu tragen.

Die Männerkleidung veränderte sich noch schneller, sodass bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts junge Männer aller Landesteile städtische Kleidung trugen.

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